News

Ihre Auswahl

forschen / 26.05.2023
Wie das Schlucken gesteuert wird

Fortsätze der sensorischen Neuronen, die zu einem Nervenzellknoten des Vagusnervs gehören (Foto: Elijah D. Lowenstein, AG C. Birchmeier, Max Delbrück Center)
Fortsätze der sensorischen Neuronen, die zu einem Nervenzellknoten des Vagusnervs gehören (Foto: Elijah D. Lowenstein, AG C. Birchmeier, Max Delbrück Center)

Sensorische Zellen des zehnten Hirnnervs erkennen, ob und wo sich in der Speiseröhre Nahrung befindet. Ihre Signale bewirken den Weitertransport zum Magen. Fallen sie aus, führe dies zu Schluckstörungen, schreibt ein Team um Carmen Birchmeier vom Max Delbrück Center jetzt im Fachblatt „Neuron“.

Schluckbeschwerden können viele Ursachen haben. Ältere Menschen zum Beispiel leiden vermehrt daran. Aber auch neurologische Erkrankungen wie Multiple Sklerose und Parkinson oder bestimmte Medikamente führen mitunter dazu, dass die Nahrung nicht mehr ohne Weiteres vom Mund in den Magen gelangt. Die möglichen Folgen sind Mangelernährung, Gewichtsverlust und Austrocknung.

Ein Team um Professorin Carmen Birchmeier, die am Berliner Max Delbrück Center die Arbeitsgruppe „Entwicklungsbiologie / Signaltransduktion in Nerven und Muskelzellen“ leitet, hat den Schluckvorgang jetzt genauer analysiert. Im Fachblatt „Neuron“ beschreiben die Forschenden sensorische Zellen des zehnten Hirnnervs, Nervus vagus genannt, die auf mechanische Reize in der Speiseröhre reagieren und deren unbewusste Bewegung anregen. Insgesamt gibt es zwölf Hirnnerven, die direkt im Gehirn entspringen und den Kopf, den Hals und Organe im Rumpf ansteuern. Die Ergebnisse der Studie könnten in Zukunft dabei helfen, Schluckstörungen besser zu behandeln.

Videos vom Schluckvorgang

„Die modernen Methoden der Einzelzellsequenzierung haben unsere Arbeit möglich gemacht“, erläutert Birchmeier. „Mithilfe der dabei gewonnenen Daten konnten wir genetische Modelle herstellen, die es uns erlaubt haben, die Funktionen der sensorischen Nervenzellen in den vagalen Ganglien im Halsbereich genauer zu untersuchen.“ Ganglien sind eine Ansammlung von Nervenzellkörpern im peripheren Nervensystem und werden daher auch als Nervenknoten bezeichnet.

Die Wissenschaftler*innen färbten die Nervenzellen zunächst an, um zu prüfen, welche Organe sie ansteuern. Anschließend ermittelten sie, ob und wie sie auf mechanische Reize in der Speiseröhre reagieren. In einem letzten Schritt schalteten sie die Zellen aus, um die Konsequenzen für den Schluckvorgang zu analysieren. Dr. Teresa Lever von der University of Missouri School of Medicine in Columbia hat dafür ein Verfahren entwickelt, mit dem die Forschenden den Schluckvorgang in frei agierenden, nicht betäubten Mäusen per Video-Fluoroskopie in Echtzeit beobachten konnten.

Nicht nur ein hohler Schlauch

„Der Verlust der Nervenzellen, die mechanische Reize aus der Speiseröhre reflexartig in Muskelbewegungen umwandeln, welche die Nahrung Richtung Magen befördern, führte bei den Mäusen nach kurzer Zeit zu einer Gewichtsabnahme“, erläutert der Erstautor Dr. Elijah Lowenstein, der mit dieser Arbeit im Team von Birchmeier promoviert hat. Mittlerweile forscht er an der Harvard Medical School in Boston. Der Gewichtsverlust zeige, dass diese Neuronen eine Schlüsselrolle bei der körperlichen Homöostase spielen.

„Die Speiseröhre ist also nicht nur ein hohler Schlauch, der den Mund mit dem Magen verbindet“, sagt Lowenstein. „Sondern sie ist auf eine mechanosensorische Rückkopplung angewiesen, um ihre Funktion zu erfüllen.“ Ohne diese Zellen des Vagusnervs bleibe die Nahrung buchstäblich in der Speiseröhre stecken, ergänzt Birchmeier. Teilweise sei sie bei den Mäusen sogar in den Rachen zurückgeflossen.

Ein molekularer Atlas für alle

„Unsere Arbeit kann jetzt dazu beitragen, Schluckbeschwerden künftig besser zu behandeln – etwa indem man die von uns entdeckten Mechanorezeptoren pharmakologisch aktiviert“, sagt die Forscherin. Zudem möchte Birchmeier die genetischen Modelle nutzen, um die Funktionen anderer vagaler sensorischer Nervenzellen zu ermitteln – etwa jener, die die Lunge oder die Aorta ansteuern.

„Womöglich spielen diese Neuronen eine entscheidende, aber noch unbekannte Rolle bei der Entstehung bestimmter Atemwegserkrankungen oder Herz-Kreislauf-Leiden wie Bluthochdruck“, sagt sie. Auch andere Forschende können sich an diesen Projekten beteiligen: Birchmeier und ihr Team haben für alle vagalen Neurone der Maus einen molekularen Atlas erstellt, der im Internet frei zugänglich ist.

Foto: Aufnahme von Speiseröhre und Magen einer Maus: Die Fortsätze der sensorischen Neuronen, die zu einem Nervenzellknoten des Vagusnervs (vagales Ganglion) gehören, hat das Team mit einem fluoreszierenden Farbstoff markiert. Ein mesoSPIM-Mikroskop (Lichtscheiben-Mikroskopie) machte die Axone dann sichtbar. Foto: Elijah D. Lowenstein, AG C. Birchmeier, Max Delbrück Center

Weiterführende Informationen

AG C. Birchmeier, Entwicklungsbiologie / Signaltransduktion in Nerven und Muskelzellen

Quelle: Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft (Max Delbrück Center)

Alle News im Überblick

News Buch Berlin

Pankower Frauenpreis 2024 an Malalai Murr verliehen

Anlässlich des Internationalen Frauentages wurde Malalai Murr ausgezeichnet. Sie arbeitet seit vielen Jahren mit Geflüchteten, ist Brückenbauerin zwischen Frauen und Männern, zwischen alter und neuer ...

weiter ...

Wochen gegen Rassismus in Pankow vom 11. bis 24. März 2024

Das Netzwerk "Pankow gegen Rassismus" lädt zu über 40 Veranstaltungen und Aktionen, die zum Nachdenken, Perspektivwechseln, Austauschen und Aktiv-Werden ein

weiter ...

Eckert & Ziegler weitet Aktivitäten mit Ga-68 in Japan aus

Eckert & Ziegler (ISIN DE0005659700, SDAX) weitet gemeinsam mit Novartis Pharma K.K. (Japan) seine Aktivitäten im Bereich der Gallium-68 (Ga-68) markierten Diagnostika in Japan aus. Zu diesem Zweck wu...

weiter ...

Termine Buch Berlin

30.03.2024, 15:00
Osterfeuer auf dem historischen Stadtgut Berlin-Buch

19.04.2024, 08:30
Lehrkräftekongress: Gemeinsam Schüler:innen für Naturwissenschaften begeistern - gemeinsam Zukunft gestalten

Der Verband der Chemischen Industrie e.V., Landesverband Nordost, das Max Delbrück Center, das Leibniz-Forschungsinstitut für Molekulare Pharmakologie im Forschungsverbund Berlin e.V., das Gläserne La...

weitere Informationen

06.05.2024, 09:00
Realtime PCR und digital PCR Kurs

Der RealTime PCR und Digital PCR Kurs richtet sich an erfahrene PCR Anwender*innen und an Einsteiger*innen. Wichtige PCR Grundlagen werden erörtert, bevor die RealTime PCR besprochen und Genexpression...

weitere Informationen

Sponsoren der Website: