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forschen, produzieren, heilen, bilden / 22.12.2025
Entdecken, erfinden, ausgründen – wie Innovation in der Biomedizin gelingt

Dr. Nevine Shalaby, Leiterin der Abteilung Innovation & Entrepreneurship (Foto: Christine Minkewitz/Campus Berlin-Buch GmbH
Dr. Nevine Shalaby, Leiterin der Abteilung Innovation & Entrepreneurship (Foto: Christine Minkewitz/Campus Berlin-Buch GmbH


Interview mit der Leiterin der Abteilung Innovation & Entrepreneurship am Max Delbrück Center, Dr. Nevine Shalaby
 

Was hat Sie an Ihrer Position am Max Delbrück Center gereizt?

Ich bin promovierte Genetikerin und habe in meiner Laufbahn sowohl fundierte Erfahrungen in der Wissenschaft als auch in der Industrie gesammelt. Für mich ist es deshalb sehr reizvoll, die Brücke zwischen der akademischen Forschung und der Industrie zu stärken. Den entscheidenden Impuls, die Stelle anzutreten, hat für mich ein erster Austausch mit den Erfinder:innen gegeben. Sie stellten sehr interessante Fragen zur Markteinführung ihrer Entdeckungen – allesamt hervorragende Innovationen. Hier am Max Delbrück Center geht es um exzellente Wissenschaft und bahnbrechende Erkenntnisse. Die Forschenden brennen für ihre Entdeckungen und wollen wissen, wie sie sie in Anwendungs- oder Ausgründungsideen umsetzen können. Dazu beizutragen, diese Innovationen in marktfähige Produkte umzuwandeln, ist für mich Ansporn und eine großartige Aufgabe.

Wie ist der Technologietransfer aufgestellt, und welche Impulse möchten Sie setzen?

Wir sehen derzeit, dass es am Max Delbrück Center viele Entdeckungen gibt, die sich als potenzielle Innovations- oder Transferprojekte eignen würden. Daher investieren wir viel Zeit in die Suche nach neuen Projekten. Dabei tauschen wir uns direkt mit den Wissenschaftler:innen aus, um ihre Arbeit zu verstehen. Ebenso intensiv arbeiten wir daran, das Marktpotenzial der von uns identifizierten Entdeckungen zu bewerten.

Seit Anfang 2025 haben wir mehr als 30 neue Projekte von über 15 leitenden Forscher:innen gescoutet, 15 dieser Projekte sind erstmals im Fokus. Dadurch konnten wir unser Innovationsportfolio in den Bereichen Diagnostik, Therapien, Forschungsinstrumente und Plattformen für die Wirkstoffforschung/Biomarker deutlich erweitern.

Im Innovation- und Entrepreneurship-Team konzentrieren wir uns auf drei Säulen. Erstens: Den Schutz des geistigen Eigentums durch eine effektive Patentierung, die die Ideen schützt, ohne die Veröffentlichung zu verzögern. Zweitens: Das Einwerben von Finanzierungen, die es den Forschenden ermöglichen, sich vollständig auf die Produktentwicklung zu konzentrieren. Und drittens: Eine proaktive Geschäftsentwicklung, um unsere Projekte frühzeitig mit den passenden Industriepartner:innen, Expert:innen und/oder Investor:innen zusammenzubringen. Dieser integrierte Ansatz stellt sicher, dass aus wissenschaftlichen Entdeckungen des Max Delbrück Center tatsächlich tragfähige Produkte werden können, die Patient:innen zugutekommen.

Wir wollen zeigen, dass Gründen ein kreativer und lohnenswerter Prozess ist. Deshalb fördern wir unternehmerisches Denken im gesamten Max Delbrück Center und integrieren unsere Forschenden stärker in das Innovationsökosystem Berlins. Erfolgreiche Gründungen tragen auch zu unserer Strategie 2030 bei: Sie helfen, Spitzenkräfte zu gewinnen, und verstärken unseren Impact in die Gesellschaft.

Wie fördern Sie den Übergang von Forschungsergebnissen in marktfähige Produkte?

Neben Scouting, Hilfe bei der Einwerbung von Finanzierungen oder dem Ausbau von Industriepartnerschaften setzen wir vor allem auf entsprechende Weiterbildung und Netzwerke. Interne Förderprogramme wie BOOST (Proof-of-Idea) und PreGoBio (Proof-of-Concept) helfen Projekten in kritischen Phasen. Wir haben BOOST kürzlich von der jährlichen auf eine fortlaufende Ausschreibung umgestellt. Forschende können sich nun bewerben, sobald sie eine Idee haben, und müssen nicht mehr monatelang auf die Förderung warten. Dadurch bieten jetzt mehr Kolleg:innen ihre Projekte an – und die Vorbereitung auf größere Zuschüsse oder externe Förderungen läuft schneller.

Unser Team unterstützt die Forschenden auch dabei, Fördermittel in Programmen wie Helmholtz Enterprise, ERC Proof-of-Concept oder Go-Bio des Bundesforschungsministeriums zu beantragen. Dabei werden zugleich Ideen so weiterentwickelt, dass diese leichter in ein Start-up oder in Lizenzvereinbarungen mit der Industrie überführt werden können.

Ein Start-up im Life-Science-Bereich zu gründen, erfordert neue Kompetenzen, ein Marktverständnis und die Einwerbung von Risikokapital. Mit welchen Formaten unterstützen sie dies?

Die Gründung von Start-ups erfordert sowohl das Engagement der Erfinder:innen als auch die Unterstützung unseres Teams. Wir stellen die richtigen Werkzeuge und Anleitungen bereit und helfen den Wissenschaftler:innen auch dabei, frühzeitig Kontakte zu Risikokapitalgeber:innen und erfahrenen Gründer:innen zu knüpfen. Dies hilft ihnen, die praktischen Aspekte der Gründung eines Start-ups besser zu verstehen. Darüber hinaus unterstützen wir die Teilnahme an Accelerator- und Inkubator-Programmen wie dem Digital Health Accelerator, dem CLIC Incubator von BIH und Charité und dem Creative Disruption Lab, die alle strukturierte Anleitung, Mentoring und Networking-Möglichkeiten bieten. Wir stellen auch spezielle Inkubationsräume auf dem Campus zur Verfügung, damit Gründer:innen ihr akademisches Labor verlassen und als „Sciencepreneurs“ an ihrem Produkt arbeiten können. Dieser Prozess ist keineswegs einfach, und wir unterstützen dies so gut wie möglich.

In Kooperation mit dem H3 Health Hub und anderen Instituten von Helmholtz bieten wir Workshops zu Pharmaentwicklung oder Regulierungsprozessen an, die nicht nur die einzelnen Schritte der Produktentwicklung vermitteln. Dort geben Expert:innen auch schon frühzeitig Feedback zum jeweiligen Produkt. Außerdem sind wir dabei, selbst Inkubator-/Accelerator-Programme aufzubauen. Und wir bringen die Forschenden bei Networking-Veranstaltungen oder Venture-Capital-Tagen mit Risikokapitalgebern und Industriepartnern zusammen.

Ein entscheidender Faktor für jedes Start-up ist das richtige Team.

Genau! Es ist zentral, von Beginn an wirtschaftliche Expertise in das Start-up-Projekt zu holen. Aus diesem Grund haben wir gerade die neue Position des „Entrepreneur-in-Residence“ geschaffen. Als erstes Beispiel wird Dr. Klaas Yperman mit Prof. Dr. Gary Lewin im Start-up „Allothera“ zusammenarbeiten, das kurz vor der Gründung steht und neue Therapien für Patient:innen mit neuropathischen Schmerzen entwickelt. Eine solche „Entrepreneur-in-Residence“-Position könnte mittelfristig regulär im Finanzplan verankert werden – als Alternative zu Postdoktorand:innen-Stellen, die sich ausschließlich auf wissenschaftliche Forschung konzentrieren. Damit schaffen wir die Voraussetzung, die wirtschaftlichen Potenziale herauszuarbeiten und heben auch die Chancen, Investoren zu begeistern.

Mit welchen strategischen Partnern arbeiten Sie zusammen?

Wir haben zahlreiche Partner im öffentlichen und im privaten Sektor. Als Teil der Helmholtz-Gemeinschaft arbeiten wir mit den anderen lebenswissenschaftlichen Zentren zusammen. In Berlin ist vor allem die strategische Partnerschaft mit der Charité – Universitätsmedizin und dem Berlin Institute of Health wichtig, mit denen wir dank der engen Verbindungen zwischen Wissenschaftler:innen und Kliniker:innen viele unserer Erfindungen teilen. Darüber hinaus kooperieren wir eng mit Industriepartnern wie Bruker bei der Weiterentwicklung von Hightech-Forschungsgeräten.

Nicht zuletzt versammelt der BiotechParkmit mehr als 70 Unternehmen, den Pharma Business Schools und dem Format „Talk im Cube“ der Berlin BioScience Academy eine große Expertise auf dem Campus. Durch Partnerschaften wie mit der UNITE-Initiative, der neuen Start-up-Factory für Berlin und Brandenburg, möchten wir die Unterstützung für unsere Forschenden in der Hauptstadtregion strukturell verbessern.

Ein zentrales Vorhaben ist es, einen Inkubator mit Laborräumen für Start-ups im Gründungszentrum BerlinBioCube zu etablieren.

Dies ist eine spannende Perspektive, auf die wir mit Nachdruck hinarbeiten. Derzeit haben wir mehrere Projekte in den Startlöchern, die den Schritt aus dem akademischen Umfeld wagen wollen – geleitet von „Sciencepreneurs“. Unser Ziel: Wir möchten diese Projekte dabei begleiten, aus unserem Inkubator in den BioCube umzuziehen – in das dynamische Ökosystem von Gleichgesinnten, die alle ähnliche Herausforderungen meistern. So fördern wir Austausch und Zusammenarbeit und letztlich gemeinsames Wachstum.


Quelle: Interview aus dem Standortjournal buchinside 01/2026

Quelle: Campus Berlin-Buch GmbH

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Termine Buch Berlin

06.01.2026, 16:00
Vorlesung und Lehrerfortbildung: "Wenn das Immunsystem das Gehirn angreift – Autoimmunerkrankungen des zentralen Nervensystems"

Vorlesungsreihe: Neue Wege in der Biomedizin: Aktuelle Forschungsthemen vom Campus Berlin-Buch. Für Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler sowie Interessierte.

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20.03.2026, 08:45
Einladung: UniStem Day für Berliner Schülerinnen und Schüler aus Biokursen

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