News
Ihre Auswahl
forschen / 19.12.2025
Wie sich das Schicksal einer T-Zelle entscheidet
Ein zellulärer Reinigungsprozess, die Autophagie, trägt entscheidend dazu bei, dass T-Zellen sich richtig teilen. Das berichten Forschende um Katja Simon vom Max Delbrück Center in „Nature Cell Biology“. Die Studie könnte helfen, die Impfstoffreaktion älterer Menschen zu verbessern.
Wenn sich die T-Zellen unseres Immunsystems teilen, geschieht das in der Regel nicht symmetrisch. Die beiden Tochterzellen erben unterschiedliche Zellkomponenten, die über ihr weiteres Schicksal entscheiden: Eine Zelle wird zu einem kurzlebigen Kämpfer, der T-Effektorzelle; die andere entwickelt sich zu einer langlebigen T-Gedächtniszelle.
Eine Team um Professorin Mariana Borsa von der University of Oxford und Professorin Katja Simon, die Leiterin der Arbeitsgruppe „Zellbiologie der Immunität“ am Max Delbrück Center, hat jetzt gezeigt, dass die Autophagie – eine Art zellulärer Hausputz, bei dem die Zelle nicht mehr benötigte Bestandteile abbaut und recycelt – in dem Entscheidungsprozess dieser asymmetrischen Zellteilung (Asymmetric Cell Division, kurz ACD) eine entscheidende Rolle spielt.
„Unsere Studie beweist zum ersten Mal kausal, dass T-Zellen die ACD ohne Autophagie nicht normal durchlaufen“, sagt Borsa, Erstautorin der Studie und inzwischen als Professorin der Universität Basel ihre eigene Arbeitsgruppe leitet. „Wir haben herausgefunden, dass bei der Teilung einer T-Stammzelle die Tochterzellen unterschiedliche Mitochondrien erben – was ihr weiteres Schicksal beeinflusst. Wenn wir diesen Prozess verstehen, können wir darüber nachdenken, was sich tun lässt, um die Funktion der T-Gedächtniszellen im Alter zu erhalten.“
Gespaltene Persönlichkeit
Um die ACD detailliert zu untersuchen, nutzten die Forschenden ein neuartiges Mausmodell, MitoSnap genannt. In ihm lassen sich die Mitochondrien so markieren, dass man sie in Mutter- und Tochterzellen voneinander unterscheiden und getrennt verfolgen kann. T-Zellen enthalten viele dieser Zellorganellen, die vor allem für die Energieproduktion der Zellen erforderlich sind.
Das Team um Borsa und Simon untersuchte, wie alte, beschädigte Mitochondrien zwischen den Tochterzellen verteilt werden. Die Wissenschaftler*innen fanden heraus, dass in gesunden Zellen die Autophagie benötigt wird, damit eine Tochterzelle keine alten Mitochondrien erhält. Das wiederum führt dazu, dass sich diese Zelle zu einer langlebigen Gedächtnisvorläuferzelle entwickelt – einer Immunzelle, die sich an einen Erreger erinnert und sich schnell zu teilen beginnt, wenn sie erneut auf ihn stößt. Die andere Tochterzelle, die die alten Mitochondrien übernommen hat, entwickelt sich hingegen zu einer kurzlebigen Effektorzelle. Diese Zellen teilen sich schnell und wehren unmittelbare Bedrohungen ab. Ist die akute Gefahr beseitigt, sterben sie ab.
Wird die Autophagie gestört, bricht die sorgfältige Sortierung zusammen. Beide Tochterzellen erben dann beschädigte Mitochondrien und sind folglich dazu bestimmt, kurzlebige Zellen zu werden. „Es war überraschend zu sehen, dass die Autophagie eine Rolle spielt, die über die reine Zellpflege hinausgeht“, sagt Borsa. „Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass die asymmetrische Vererbung von Mitochondrien ein potenzielles therapeutisches Ziel für die Verjüngung von T-Gedächtniszellen darstellt.“
Die Impfreaktion verstärken
Indem man die Autophagie vor oder während der Teilung der T-Stammzellen stimuliert, könnte es möglich sein, mehr Gedächtniszellen zu erhalten und auf diese Weise den langfristigen Schutz nach Infektionen oder durch Impfstoffe zu verbessern – so die Hoffnung der Forschenden.
In einem weiteren Schritt analysierte das Team die Tochterzellen mithilfe der Einzelzell-Transkriptomik, -Proteomik und -Metabolomik. Dabei stellten die Wissenschaftler*innen fest, dass Effektorzellen mit beschädigten Mitochondrien stark von einem bestimmten Stoffwechselweg, dem C1-Stoffwechsel, abhängig sind. Ihn gezielt zu manipulieren, könnte eine weitere Möglichkeit sein, das Immunsystem subtil zu beeinflussen und T-Stammzellen dazu zu bewegen, sich eher zu Gedächtnis- als zu Effektorzellen zu entwickeln, spekuliert Borsa.
„Langfristig könnte diese Forschung zu Strategien beitragen, um das alternde Immunsystem zu verjüngen, wodurch Impfstoffe wirksamer werden und der Schutz vor Infektionen gestärkt wird“, fügt Simon hinzu. Die Forschenden planen nun, ihre Ergebnisse in Experimenten mit menschlichen T-Zellen weiter zu validieren.
Das Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft legt mit seinen Entdeckungen von heute den Grundstein für die Medizin von morgen. An den Standorten in Berlin-Buch, Berlin-Mitte, Heidelberg und Mannheim arbeiten unsere Forschenden interdisziplinär zusammen, um die Komplexität unterschiedlicher Krankheiten auf Systemebene zu entschlüsseln – von Molekülen und Zellen über Organe bis hin zum gesamten Organismus. In wissenschaftlichen, klinischen und industriellen Partnerschaften sowie in globalen Netzwerken arbeiten wir gemeinsam daran, biologische Erkenntnisse in praxisnahe Anwendungen zu überführen – mit dem Ziel, Frühindikatoren für Krankheiten zu identifizieren, personalisierte Behandlungen zu entwickeln und letztlich Krankheiten vorzubeugen. Das Max Delbrück Center wurde 1992 gegründet und vereint heute eine vielfältige Belegschaft mit rund 1.800 Menschen aus mehr als 70 Ländern. Wir werden zu 90 Prozent durch den Bund und zu 10 Prozent durch das Land Berlin finanziert.
Bild: T-Stammzellen durchlaufen normalerweise eine asymmetrische Zellteilung (links), bei der eine Tochterzelle zu einer langlebigen Gedächtnis-T-Zelle wird. Wenn die Autophagie gestört ist, erben beide Tochterzellen alte Mitochondrien (rot) und werden zu Effektor-T-Zellen.
Quelle: Pressemitteilung Max Delbrück Center
Wie sich das Schicksal einer T-Zelle entscheidet
Alle News im Überblick
News Buch Berlin
Entdecken, erfinden, ausgründen – wie Innovation in der Biomedizin gelingt
Interview mit der Leiterin der Abteilung Innovation & Entrepreneurship am Max Delbrück Center, Dr. Nevine Shalaby
weiter ...Wie sich das Schicksal einer T-Zelle entscheidet
Ein zellulärer Reinigungsprozess, die Autophagie, trägt entscheidend dazu bei, dass T-Zellen sich richtig teilen. Das berichten Forschende um Katja Simon vom Max Delbrück Center in „Nature Cell Biolog...
weiter ...Synapsen bei der Arbeit zusehen
Der Moment, in dem eine Nervenzelle ihre Neurotransmitter in den synaptischen Spalt ausschüttet, ist extrem kurz. Berliner Forschenden um Jana Kroll und Christian Rosenmund ist es gelungen, ihn mikros...
weiter ...Termine Buch Berlin
06.01.2026, 16:00
Vorlesung und Lehrerfortbildung: "Wenn das Immunsystem das Gehirn angreift – Autoimmunerkrankungen des zentralen Nervensystems"
Vorlesungsreihe: Neue Wege in der Biomedizin: Aktuelle Forschungsthemen vom Campus Berlin-Buch. Für Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler sowie Interessierte.
weitere Informationen20.03.2026, 08:45
Einladung: UniStem Day für Berliner Schülerinnen und Schüler aus Biokursen
Das German Stem Cell Network (GSCN) lädt die an Biologie interessierten Berliner Schülerinnen und Schüler (Biologie-Leistungskurse und Grundkurse) mit ihren Lehrkräften herzlich zum UniStem Day – zum ...
weitere Informationen