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forschen, heilen / 15.08.2025
Wie Impfstoffe im Alter besser schützen können

Können wir ein alterndes Immunsystem dazu bringen, auf eine Impfung wie in jüngeren Jahren zu reagieren? In der Fachzeitschrift „Nature Aging“ diskutieren Sebastian Hofer, Katja Simon und ihre Kolleg*innen, welche Ansätze es dafür gibt. Sie suchen außerdem Freiwillige für eine eigene klinische Studie.

Mit dem Alter wird unser Immunsystem schwächer. Dieser Prozess, bekannt als Immunoseneszenz, macht ältere Menschen anfälliger für Infektionen. Auch Impfstoffe können ihre Wirkung weniger gut entfalten; ein Teufelskreis beginnt. Zwar tragen Lebensstil- und altersbedingte Krankheiten wie Fettleibigkeit und Diabetes zu dieser Schwächung bei. Das Kernproblem ist jedoch, wie das Altern die Immunzellen und ihre internen Wartungssysteme verändert.

In einem Übersichtsartikel in „Nature Aging“ diskutieren Dr. Sebastian Hofer, Postdoktorand im Labor für Zellbiologie der Immunität von Professor Katja Simon am Max Delbrück Center, und Kolleg*innen aus Großbritannien, wie man die Impfantwort bei älteren Erwachsenen stärken kann, wenn die neueste Forschung zur Biologie des Alterns einbezogen wird. Bisher haben Impfstoffhersteller auf technologische Ansätze wie Adjuvantien zurückgegriffen, um eine stärkere Immunantwort hervorzurufen. Diese sind jedoch nicht immer wirksam.

In den vergangenen Jahren habe sich gezeigt, dass ergänzende Ansätze praktischer sein können als neue Impfstoffe für verschiedene Altersgruppen zu entwickeln, sagt Simon. Die Forschung zur Biologie des Alterns habe beispielsweise gezeigt, dass bestimmte Medikamente wie Metformin aus der Typ-2-Diabetes-Therapie und Rapamycin, das oft Menschen nach einer Organtransplantation bekommen, die Lebensdauer und die Spanne gesunden Lebens bei Insekten, Nagern und anderen Tieren verlängern können. Ein Teil der Erklärung: Sie beeinflussen das Immunsystem. Andere Studien haben gezeigt, dass Bewegung und Kalorienrestriktion sowohl bei Menschen als auch bei Tieren die Schwächung der Immunzellen im Alter verlangsamen können. Auch die zellulären Mechanismen, die der Schwächung der Immunität zugrunde liegen, verstehe man inzwischen besser, ergänzt Hofer.

Im Interview erklären Hofer und Simon, wie man dieses Wissen bei Impfungen von älteren Menschen anwenden und die Reaktion des Körpers auf die Impfstoffe möglicherweise verbessern kann. Sie rekrutieren außerdem Freiwillige für eine klinische Studie. Dabei wollen sie testen, ob Fasten die Impfantwort verstärkt.

Was versteht man unter Immunseneszenz und wie genau lässt die Immunität im Alter nach? 

Katja Simon: Immunseneszenz ist ein sehr breiter Begriff, der die allmähliche Schwächung des Immunsystems beschreibt, wenn wir älter werden. Ältere Menschen haben öfter chronische Erkrankungen, das trägt zum Nachlassen der Immunfunktion bei. Aber ein ganz zentrales Merkmal eines alternden Immunsystems, das sich auch ganz ohne chronische Krankheiten einstellt, ist folgendes: Neben anderen molekularen Änderungen können die Immunzellen Schaden und Müll nicht mehr so gut beseitigen. Dieser Prozess nennt sich Autophagie – ein ganz fundamentales Recycling, auf das jede Zelle im Körper angewiesen ist. Wenn die „Autophagie-Flux“ nachlässt, also die Effizienz dieser Recycling-Zyklen, trägt das zur Schwächung der Immunantwort bei älteren Menschen bei. Unser Labor erforscht Autophagie seit Jahren. Eine Frage ist, wie man sie in alternden Immunzellen wiederherstellen und damit die Immunität verbessern kann.   

Wissen wir denn, wie Medikamente oder Änderungen des Lebensstils, die nachweislich die Lebensdauer von Tieren verlängern, wirken?

Sebastian Hofer: Wir haben eine recht genaue Vorstellung davon, wie Kalorienreduktion und Rapamycin die Lebensspanne verlängern – zumindest bei Tieren. Für den Menschen haben wir kein so klares Bild. Viele Interventionen, die in der Biologie des Alterns getestet werden, stupsen die Zellen in einen schützenden und energiesparenden Modus: Sie reduzieren Entzündungen, verlangsamen den Metabolismus und fördern Autophagie. Wenn wir weniger Kalorien zu uns nehmen, geschieht das ganz natürlich. Medikamente wie Rapamycin dagegen greifen in bestimmten zellulären Signalwegen ein. Alle diese Änderungen helfen den Zellen, Schäden zu reparieren, resilient zu bleiben und auch im Alter besser zu funktionieren. Die zugrundeliegende Biologie ist vielversprechend, vor allem in Tiermodellen. Aber wir müssen noch verstehen, wie diese Interventionen beim Menschen wirken. Wer – oder welches Gewebe – profitiert am ehesten davon?

Gab es schon Versuche, mit solchen Interventionen die Impfantwort bei älteren Erwachsenen zu verbessern?

SH: Immer mehr Forschende aus dem Fachgebiet wenden das Wissen jetzt in klinischen Studien an. Wenn man die Literatur anschaut, wurde aber bisher nur Rapamycin ausreichend getestet in Bezug auf die Impfantwort. Diese Studien legen nahe, dass Rapamycin die Wirksamkeit von Impfstoffen bei älteren Erwachsenen verbessern kann. Es reguliert das Immunsystem in einer Art und Weise, dass es stärker reagiert: Rapamycin blockiert ein Protein namens mTOR, das man sich wie einen Hauptschalter in den Zellen vorstellen kann.  Es steuert das Wachstum und den Energieverbrauch. Wird mTOR gehemmt, gehen die Zellen in einen vorsichtigeren, auf Reparatur ausgerichteten Zustand über – sie reduzieren Entzündungen, verbessern die Autophagie und machen die Immunzellen reaktionsfähiger auf Reize.

Sie suchen derzeit Freiwillige für eine klinische Studie, um zu testen, ob eine Ernährungsintervention die Immunantwort auf Impfstoffe stärken kann. Können Sie uns weitere Details dazu geben?

SH: In der Pilotstudie VITAL rekrutieren wir 24 Freiwillige über 60 Jahre. Wir bitten die Hälfte von ihnen, ausschließlich innerhalb eines Zeitfensters von acht Stunden zu essen. Wir möchten herausfinden, ob eine vierwöchige Phase mit intermittierendem Fasten die Immunantwort auf Influenza- und COVID-Impfstoffe im Vergleich zur Gruppe, die nicht fastet, verbessern kann. Präklinische Erkenntnisse zeigen nämlich, dass kurzfristige Ernährungsinterventionen die Immunfunktion verjüngen können – möglicherweise, weil sie die Autophagie fördern. Wir konzentrieren uns auf den saisonalen Grippeimpfstoff, da Studien gezeigt haben, dass ein erheblicher Anteil der über 60-Jährigen schlecht auf Grippeimpfstoffe anspricht. Wir testen außerdem das Blut der Teilnehmer*innen und statten sie mit Technologie aus, um die Einhaltung des Fastenprotokolls zu überwachen.

Warum interessieren sie sich für Ernährungsänderungen – und nicht für pharmakologische Lösungen wie Rapamycin? 

SH: Es ist eine attraktive Strategie. Sie ist sicher, jeder und jede hat Zugang. Außerdem würde eine Firma nie eine solche Studie durchführen. Als staatlich geförderte Institution steht es uns gut zu Gesicht, hier aktiv zu werden. Wenn wir die komplexen Probleme eines alternden Immunsystems angehen wollen, ist es vermutlich vorteilhaft auf Interventionen zu setzen, die mehrere molekulare Signalwege gleichzeitig beeinflussen. Die Kalorienzufuhr zu beschränken, ist ein Beispiel. Wir sehen uns aber auch andere Ansätze an. Die AG Simon hat in einer klinischen Studie gezeigt, dass das Nahrungsergänzungsmittel Spermidin die Immunantwort nach einer Impfung bei älteren Menschen verstärken kann. Die Publikation ist noch nicht veröffentlicht. Aber unsere Daten legen nahe, dass Spermidin die Impfantwort nach einer Coronaimpfung verbessern könnte.  

Warum ist das Thema so wichtig für die Öffentliche Gesundheit?

KS: Wir leben in einer alternden Gesellschaft und wir wissen, dass die Menschen ab 60 oder 65 anfälliger für Infektionen sind. Die über 60-Jährigen waren ja auch in der Coronapandemie am stärksten betroffen. Die Altersgruppe trägt zudem das höchste Risiko, an einer Grippe zu versterben. Leider zeigen Daten durchweg, dass die Effektivität von etlichen Schutzimpfungen mit zunehmendem Alter abnimmt, insbesondere bei denjenigen, die den Schutz am dringendsten benötigen. Wir werden in Zukunft wahrscheinlich auch immer öfter mit neuen Infektionskrankheiten konfrontiert sein. Eine einfache und leicht umsetzbare Maßnahme, die die Immunität und die Wirksamkeit von Impfstoffen in dieser Gruppe verbessert, könnte viele Leben retten.

Interview: Gunjan Sinha

Sebastian Hofer, Katja Simon und ihr Team rekrutieren derzeit Menschen über 60 Jahre für ihre klinische Studie. Sie testen, ob intermittierendes Fasten die Antwort auf Influenza- und COVID-Impfungen verbessern kann. Für weitere Informationen oder um sich für die Studie zu melden, wenden Sie sich bitte an Sebastian Hofer (Sebastian.hofer@mdc-berlin.de) oder die Clinical Research Unit am ECRC (vital@charite.de).

Weiterführende Informationen

Quelle: Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft (Max Delbrück Center)

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