News 2015

In der Petrischale hergestellte 3D-Zellkulturen als Nachbildung von Patiententumoren. Dieses neuartige Verfahren könnte die Krebsforschung revolutionieren und helfen, Krebspatienten eine optimierte und personalisierte Behandlungsmethode zu empfehlen, ihnen unwirksame Therapien
ersparen oder sogar das Leben retten. Die in vitro-Tumormodelle (in vitro: lat. ‚im Glas‘) können die klassischen in vivo-Experimente, die an lebenden Organismen wie beispielsweise Mäusen durchgeführt werden, ergänzen und ersetzen. Derzeit steckt das Projekt von Dr. Christian Regenbrecht und seinem Team noch in einer relativ frühen Entwicklungsphase, doch erste Studien profitieren bereits von der Arbeit des Unternehmens Cellular Phenomics & Oncology Berlin-Buch GmbH (CPO).

Das Verfahren, welches CPO entwickelt, simuliert die individuellen Eigenschaften eines Tumors in vitro: Aus einem etwa 3 x 3 x 3 mm großen Tumorstück, das bei einer OP entnommen wurde, lassen sich Zellkulturen herstellen. Sobald sich die Tumorzellen vermehren, können diese molekularbiologisch und pharmakologisch charakterisiert werden. Anhand der genetischen Signatur des Tumors kann eine Vorauswahl an geeigneten Medikamenten getroffen werden.

Bis zu 18 verschiedene Chemotherapeutika und Medikamente können gleichzeitig getestet werden. Die Ergebnisse der molekularbiologischen Untersuchungen und der Wirkstofftests liefern Hinweise auf die erfolgversprechendsten Therapieansätze. Auf Wunsch des Patienten werden die Zellkulturen eingefroren, um – falls nötig – später weitere Tests durchführen zu können. Dies ist sinnvoll, wenn inzwischen neue, besser passende Wirkstoffe zugelassen wurden.

„Ein Tumor ist wie ein komplexes Mosaik, dessen Zellen miteinander interagieren“, erläutert Regenbrecht. „Ein 3D-Zellkulturmodell ist das perfekte System, um den komplexen Aufbau eines Tumors zu simulieren“, so der promovierte Biologe. Speziell für die Behandlung von Dickdarmkrebs sei dieses Verfahren zunächst entwickelt worden.

Allerdings ist das 3D in vitro-Tumormodell nicht auf ärztliche Verordnung zu bekommen. Patienten müssen für das Analyseverfahren rund 5.000 Euro aus eigener Tasche bezahlen. „Für die Zukunft streben wir eine Querfinanzierung an, die es auch weniger wohlhabenden Kranken ermöglicht, unsere Tumormodelle für die Behandlung zu nutzen“, so Regenbrecht. Dieser Anspruch soll durch lukrative Forschungsarbeit für die Pharmaindustrie realisiert werden. Die großen Pharmaunternehmen werden von CPO momentan als Hauptzielgruppe und somit als Förderer und Finanzierer ausgemacht. Für sie testet CPO Wirkstoffe. Das Angebot: 384 Kombinationen aus Wirkstoffen und Tumoren können in nur einer einzigen Zellkulturplatte getestet werden. Dadurch wäre eine kostengünstige Entdeckung und Entwicklung neuer Wirkstoffe möglich.

Eine weitere Verfeinerung der 3D in vitro-Modelle ist unbestritten notwendig. Aber Christian Regenbrecht vermutet, dass die 3D-Zellkulturen in circa fünf bis zehn Jahren die gleiche Anerkennung haben werden wie heute in vivo-Modelle. „Möglicherweise könnte in Zukunft komplett auf in vivo-Modelle verzichtet werden“, so der Unternehmer.

Die Basis für die weitere Entwicklungsarbeit ist optimal. Seit September 2014 hat die CPO ihren Firmensitz auf dem Campus Buch und arbeitet in hochmodernen Laboren eng mit der Experimentellen Pharmakologie & Onkologie Berlin-Buch GmbH (EPO) zusammen. EPO ist auf individuelle Tumormodelle spezialisiert und unterstützt mit ihren Dienstleistungen sowohl die Grundlagen- als auch die angewandte Forschung für Innovationen in der Krebstherapie. Geleitet wird das Unternehmen von Pharmazeut Dr. Jens Hoffmann, der in der Forschung ein hohes Renommee als Onkologie- und Pharmaspezialist genießt. Hoffmann war auch Regenbrechts Mentor und inspirierte den 39jährigen zur Gründung von CPO. Beide Unternehmen profitieren nun vom Know-how des jeweils anderen und den entstehenden Synergieeffekten.

Momentan besteht das Team des jungen Unternehmens aus fünf Krebsspezialisten. Neben Regenbrecht und Mitgründer Hoffmann sind es Dr. Yvonne Welte, langjährige Mitarbeiterin von Regenbrecht, Dr. Alessandra Silvestri sowie Doktorandin Maxine Sil’vestrov.
„Gemeinsam wollen wir die 3D-Modelle technisch und biologisch weiterentwickeln“, so Regenbrecht, der bis 2015 noch eine halbe Stelle als Arbeitsgruppenleiter an der Charité innehat. Für CPO hat er ehrgeizige Pläne: Bis 2020 soll die Belegschaft auf 30 Mitarbeiter anwachsen.\n


Foto: CPO-Chef Dr. Christian Regenbrecht mit Maxine Sil’vestrov (links) und Dr. Yvonne Welte

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Text und Foto: Michaela-Nicola Riedemann