News

Ihre Auswahl

forschen / 30.08.2024
Wie das Herz Arterien bildet

Ein Team um Holger Gerhardt und Norbert Hübner vom Max Delbrück Center hat herausgefunden, wie sich neue Arterien bilden. Das könnte Therapien zur Regeneration des Herzmuskels nach einem Infarkt oder Schlaganfall verbessern. Die Ergebnisse wurden in „Circulation Research“ veröffentlicht.

Über welchen Mechanismus sich neue Arterien im Herzen bilden, hat ein Team unter Leitung von Dr. Elena Cano aus der Arbeitsgruppe „Integrative Vaskuläre Biologie“ von Professor Holger Gerhardt am Max Delbrück Center in Berlin entschlüsselt. Die in „Circulation Research“ publizierte Studie schließt eine wichtige Lücke in unserem bisherigen Verständnis zur Entstehung von Herzkranzgefäßen. Sie könnte dazu beitragen, Schäden am Herzmuskel nach einem Herzinfarkt oder Schlaganfall besser zu behandeln. Beides gehört weltweit zu den Hauptursachen für Tod und Behinderung. Das Deutsche Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK) hat die Arbeit unterstützt.

Durch einen Herzinfarkt oder Schlaganfall kann Herzmuskelgewebe absterben. Infolgedessen verschlechtert sich die Blutversorgung des Herzens, was zu einer dauerhaften Schädigung führt. Obwohl ein Teil des Gewebes dank neuer Blutgefäße spontan heilen kann, reicht das häufig nicht aus, um die Blutversorgung vollständig wiederherzustellen. Derzeit konzentrieren sich Therapien auf die Symptome und darauf, das Fortschreiten der Herzerkrankung zu verlangsamen.

Forscher*innen haben verschiedene Methoden getestet, um neue Blutgefäße in geschädigtem Herzgewebe wachsen zu lassen. Aber bislang gelang es ihnen nicht, ein stabiles, ausgereiftes Gefäßnetzwerk zu etablieren, das die Herzfunktion verbessert, sagt Cano. Ein großes Hindernis war vor allem, dass wir die vielschichtigen molekularen, zellulären und strukturellen Signale, die Gefäßzellen nutzen, um ein hierarchisches Blutgefäßnetzwerk aufzubauen, noch nicht gut genug verstehen. 

Einzelzell-Sequenzierung von präarteriellen Zellen

Cano untersuchte, wie Gewebe Gefäße ausbilden – und entdeckte dabei in ihren Proben eine Art präarterielle Zelle, die offenbar eine wichtige Rolle beim Wachstum neuer Arterien spielt. Andere Forscher*innen hatten diese präarteriellen Zellen bereits beschrieben. Cano wollte sie jedoch mit einer neuen Technologie untersuchen.

Mithilfe der Einzelzell-Sequenzierung analysierte das Forschungsteam, welche Teile des Erbguts Herzzellen von Mäusen in verschiedenen Stadien der Entwicklung gerade ablasen. Die Forscher*innen konnten zeigen, dass sich diese präarteriellen Herzzellen aus „tip cells“ (Zellen an der Spitze) entwickeln. Das sind spezialisierte Zellen, die Umwelthinweise wahrnehmen, um wachsende Gefäße in bestimmte Richtungen zu lenken. Das Team belegte diese Ergebnisse zusätzlich durch eine 3D-Kartierung in Raum und Zeit. Darüber hinaus wiesen sie nach, dass diese präarteriellen Zellen bereits „markiert“ waren, um sich zu arteriellen Zellen zu entwickeln, was der aktuellen Lehrmeinung zur arteriellen Entwicklung widerspricht.

Bisher hatte man angenommen, dass neue Arterien ihre charakteristischen Eigenschaften, wie Länge und Durchmesser, ausschließlich auf Grundlage mechanischer Reize ausbilden – etwa aufgrund der Geschwindigkeit der durch sie fließenden Flüssigkeit. „Diese Studie zeigt jedoch, dass präarterielle Zellen bereits Eigenschaften von Arterien aufweisen, bevor überhaupt Flüssigkeit durch sie fließt“, sagt Cano.

Die Forscher*innen analysierten zudem Ergebnisse von Einzelzelluntersuchungen neu, die von Wissenschaftler*innen im Vereinigten Königreich zu menschlichem Embryonalherzgewebe veröffentlicht hatten. Diese verglichen sie mit ihren eigenen Maus-Daten von durch Infarkt geschädigtem Herzgewebe. Dabei stellten sie fest, dass sich neue Arterien im menschlichen Embryonalgewebe durch denselben Mechanismus bildeten wie nach einer Schädigung durch einen Herzinfarkt bei Mäusen. „Wir zeigen, dass dieser Mechanismus nicht nur während der Entwicklung bei Mäusen und Menschen bestehen. Er bleibt  während des gesamten Lebens erhalten und wird nach einem Herzinfarkt aktiviert“, sagt Cano.

Neue Behandlungsmöglichkeiten

Wer versteht, wie sich Herzkranzgefäße normalerweise bilden und regenerieren, könne auch Behandlungen entwickeln, die diese regenerativen Prozesse stimulieren und möglicherweise Herzmuskelschäden rückgängig machen, sagt Cano.

„Jetzt wissen wir, dass nicht nur der Blutfluss vaskuläre Endothelzellen dazu anregt, sich in Arterien zu verwandeln, sondern dass auch Spitzenzellen zu präarteriellen Zellen und schließlich in Arterien zu werden“, sagt Gerhardt. „Überraschenderweise besitzen nicht alle Spitzenzellen die Fähigkeit, Arterien zu bilden. Das eröffnet die Möglichkeit, den Zellbestand für therapeutische Zwecke selektiv zu vergrößern.“

„Das ist ein Schritt nach vorne“, fügt Cano hinzu. „Es handelt sich um einen neuen Mechanismus, den wir möglicherweise während der Regeneration anregen können. Dann können wir sehen, ob sich neue Arterien für eine optimale Wiederherstellung der Blutversorgung bilden lassen.“

Weiterführende Informationen

Arbeitsgruppe von Holger Gerhardt

Arbeitsgruppe von Norbert Hübner

Porträt über Holger Gerhardt

Literatur

Elena Cano, Jennifer Schwarzkopf, Masatoshi Kanda, et. al. (2024): „Intramyocardial Sprouting Tip Cells Specify Coronary Arterialization.“ Circulation Research, DOI:10.1161/CIRCRESAHA.124.324868

Quelle: Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft (Max Delbrück Center)

Alle News im Überblick

News Buch Berlin

Campus Konzert Reihe – “Musik trifft Wissenschaft”

Die Brüder Paul und Michael Afonin - beide hervorragende junge Musiker - werden uns mit Werken von Bach bis Gershwin (Paul am Klavier) und Max Bruchs Violinkonzert (Michael an der Violine) begeistern.

weiter ...

Lange Nacht der Wissenschaften am 28. Juni auf dem Campus Buch

Neugierig geworden? Das Programm ist jetzt verfügbar!

weiter ...

15 Jahre Chemie im Gläsernen Labor

Am 11. Mai 2010 eröffnete das Leibniz-Forschungsinstitut für Molekulare Pharmakologie (FMP) das FMP-ChemLab im Gläsernen Labor. Zum Jubiläum traf sich Chemikerin Dr. Bärbel Görhardt, die dieses Schüle...

weiter ...

Termine Buch Berlin

22.05.2025, 10:00 / Bucher Bürgerhaus
Vernetzungsbrunch für Angehörige von Kindern und Jugendlichen im Autismus-Spektrum

Interessierte Betroffene sind herzlich in der Selbsthilfe-Kontaktstelle im Bucher Bürgerhaus willkommen, der Eintritt ist frei.

weitere Informationen

22.05.2025, 18:00 / Gemeindehaus der ev. Kirche Karow
Literaturcafé: Das Kalliopeteam über die Gebrüder Grimm

In einer literarisch-musikalischen Hommage mit Briefen, Lebenszeugnissen, interessanten Begegnungen und Volksliedern wird das Leben und Wirken der Gebrüder Grimm wieder lebendig.

weitere Informationen

22.05.2025, 18:00 / Stadtteilbibliothek Buch
Frauenzirkel - Vernetzung und Empowerment

Austausch im geschützten Raum über verschiedenen Themen, Vernetzung und Empowerment für Frauen.

weitere Informationen

Sponsoren der Website: